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Naturschutz & Mensch – Ein Widerspruch?

Interview mit Gerald Bigurube

Gerald Bigurube war Generaldirektor der tansanischen Nationalparkbehörde (TANAPA) und arbeitet jetzt als Programm-leiter für alle Projekte der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt (ZGF) in Tansania.

Sie beschäftigen sich seit Jahren mit dem Thema Naturschutz in Tansania. Was sind die größten Bedrohungen für die Tierwelt?

Wie in vielen afrikanischen Ländern wächst auch in Tansania die Bevölkerung. Die Nutzung von Land und Wasser sowie direkte Konflikte zwischen Wildtieren und Menschen sind daher zentrale Themen. Trotz guter Erfolge müssen wir in Zukunft verstärkt daran arbeiten, die verbliebenen Wildnis-Gebiete zu bewahren. Aktuell sind Wilderei sowie der zunehmende Druck durch Viehhaltung die größten Bedrohungen für die Wildtiere.

Die ZGF hat 2014 mithilfe von Kleinflugzeugen eine landesweite Elefantenzählung durchgeführt. Wie sind die Ergebnisse?

Ernüchternd. Seit 2009 hat Tansania fast zwei Drittel seiner Elefantenpopulation durch Wilderei verloren. Das ist keine Geschichte der 80er Jahre, das passiert heute! Und es hat eine neue Dimension erreicht: Die Wilderer sind gut organisiert und ausgerüstet und könnten Elefanten in einigen ihrer Kernverbreitungsgebiete komplett auslöschen. Dramatische Verluste sind im Selous zu beklagen. In der Serengeti dagegen wächst die Elefantenpopulation. Diese Tatsache beweist, dass die Wilderei unter Kontrolle gebracht werden kann.
© Yvonne Frommater

Was unternimmt die ZGF, um die Wilderei einzudämmen?

Die ZGF hat über Jahre ein stabiles und vertrauensvolles Verhältnis zu den tansanischen Wildtierbehörden aufgebaut. Wir unterstützen unsere Partner darin, Wildtiere zu überwachen und zu schützen sowie die Arbeit zu koordinieren. Wir fokussieren uns darauf, die Strafverfolgung bei Wilderei zu verbessern, stellen Ressourcen zur Verfügung und bilden Mitarbeiter aus.

Die deutsche Regierung hat der ZGF kürzlich drei Flugzeuge zur Verfügung gestellt, die gegen die Wilderei zum Einsatz im Selous, der Serengeti und North Luangwa kommen. Wo sehen die Einsätze konkret aus?

Flugzeuge werden genutzt, um große und abgelegene Gebiete zu überwachen, Bedrohungen auszumachen und Informationen an unsere Bodenkräfte weiterzugeben, aber auch, um Tierzählungen und Lebensraumüberwachungen durchzuführen. Die zur Verfügung gestellten Huskies sind ideal für diese Anforderungen, denn sie können sehr langsam und sehr tief fliegen. So können wir die Lager von Wilderern ausfindig machen, die GPS-Koordinaten aufzeichnen und Ranger-Teams zu den entsprechenden Stellen lotsen.

Wie viele Menschen arbeiten für die ZGF in Tansania und wie sieht der Arbeitsalltag aus?

Wenn man für die ZGF arbeitet, eine Naturschutzorganisation, die direkt vor Ort anpackt, dann gibt es keinen Arbeitsalltag. Das ist mit ein Grund, warum ich meinen Job so sehr liebe. Ein Fokus der ZGF und für mich im Speziellen ist die Unterstützung unserer nationalen Partner. Wir treffen uns sehr regelmäßig und diskutieren unsere Pläne. Wenn ich nicht gerade auf Reisen bin, bin ich in der Zentrale der ZGF mitten in der Serengeti stationiert. Im Moment haben wir ca. 50 Mitarbeiter in Tansania, im Laufe des Jahres wer-den einige dazukommen.

Wie wird die Bevölkerung in den Naturschutz eingebunden?

Die ZGF verfolgt eine Doppelstrategie: Verpflichtung einerseits, aber Berechtigung andererseits. Naturschutz funktioniert nicht ohne die Menschen. Die Erfolge des Naturschutzes hängen von ihnen ab – auch in Schutzgebieten, die schon lange etabliert sind. Nehmen Sie die Serengeti: Nur 50% des Serengeti-Ökosystems liegen auch innerhalb der Nationalparkgrenzen. Die andere Hälfte ist kommunales Land. Fast eine Million Menschen lebt heute im Ökosystem Serengeti. Also versuchen wir, einen greifbaren Mehrwert des Natur- schutzes zu schaffen, ihn mit direkten Vor-teilen für die Kommunen zu verbinden.
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Gibt es Projekte, bei denen die Menschen in und um die Parks involviert sind? Wenn ja, wie sehen diese aus?

Wir verfolgen Ansätze, die den Menschen erlauben für ihren Lebensunterhalt zu sorgen, ohne den Naturschutz zu missachten. Eine Herangehensweise ist es, sogenannte Wildtiermanagement-Gebiete einzurichten. Jedes Dorf einer Region stellt einen Teil seiner Ländereien zur Verfügung, mehrere Dörfer schließen ihre freigestellten Flächen zu einem gemeinsamen Wildtiermanagement-Gebiet zusammen. Gemeinsam entscheiden sie, wie es genutzt werden soll: für Foto- oder Jagdtourismus nach wissenschaftlich festgesetzten Abschussquoten oder ob man Investoren sucht. Eine ähnliche Herangehensweise wird für Waldmanagement-Gebiete genutzt. Hier können einige Dorfbewohner Scouts werden. Die ZGF schult sie und rüstet sie aus. In einem weiteren Projekt geht es um Mikrokredite. Die ZGF unterstützt die Entstehung sogenannter Cocobas (Community Conservation Banks). Ziel ist, dass gleichzeitig die wirtschaftliche Situation der Leute verbessert wird und die Umwelt profitiert. Die ZGF stellt dabei keine Finanzen zur Verfügung, das Geld kommt allein aus den Gemeinden. Wir helfen lediglich bei der Etablierung solcher Mini-Banken. Darüber hinaus unterstützen wir die Bevölkerung bei der Landnutzungsplanung, um der wirtschaftlichen Entwicklung und dem Bevölkerungswachstum Rechnung zu tragen. Bei welcher Tierart wurden in Bezug auf den Artenschutz in den letzten 50 Jahren die größten Erfolge erzielt? Nashörner standen aufgrund verheerender Wilderei in einigen Gegenden unmittelbar vor der Ausrottung, was wir teilweise abwenden konnten. Aber wie bereits erwähnt, ist die Wilderei heute auf einem Rekordstand angelangt. Es wäre also zu früh, um dies einen Erfolg zu nennen. Was aber auf jeden Fall als Erfolg gelten darf, ist die Tatsache, dass wir bis heute die Große Migration in der Serengeti sehen können, mit hunderttausenden Gnus. Zu einem großen Anteil basiert dieser Erfolg auf dem langjährigen Engagement der tansanischen Regierung und der ZGF.

Welche Projekte sind für die Zukunft geplant?

Die aktuelle Wilderei-Krise zeigt, dass wir uns deutlich mehr anstrengen müssen – auch in lange etablierten Parks. Der Wilderei entgegenzutreten, die lokalen Kommunen zu involvieren und den Zustand der Ökosysteme zu verbessern – vor allem im Selous. Welche Entwicklungen sehnen Sie herbei – seien es gesellschaftliche oder technische?Die vielen Besucher in den tansanischen Nationalparks sind Fluch und Segen. Finanziell tragen sie einen großen Teil zum Erhalt der Schutzgebiete bei, aber sie beanspruchen auch Ressourcen und können bisweilen sogar das natürliche Verhalten der Tiere stören. Für die Zukunft würde ich mir einen schonenderen Tourismus wünschen: Abgasfreie, leise Autos und umweltfreundliche Übernachtungsmöglichkeiten.

Auf welche Erfolge sind Sie ganz besonders stolz?

Auf die Erholung der Nashornpopulation in der Serengeti und die dörflichen Naturschutzaktivitäten rund um den Serengeti- und den Mahale-Nationalpark.

Man merkt, dass Sie auf einem guten Weg sind. Vielen Dank für Ihr Engagement und alles Gute für die Zukunft!

Fragen zu Tansania Reisen beantworten unsere Tansania-Experten

Uwe Jeremiasch

Uwe Jeremiasch

Ihr Reisespezialist

+49 351 31207-249 u.jeremiasch@diamir.de

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